wächst in Rekordzeit. So langsam habe ich meine Zweifel, ob sie noch vier Wochen lang in das Nest passen. Und vor allem frage ich mich, ob die Eltern inzwischen ebenfalls gemerkt haben, daß das Nest zu klein ist und sich deshalb davon gemacht haben. Jedenfalls sitzen die Kleinen heute bereits den ganzen Tag allein im Nest. Von den Eltern keine Spur. Die turteln den lieben langen Tag im Baum herum und haben schon genug vom verfressenen Nachwuchs. Was mache ich, wenn die mich mit ihrer Brut sitzen gelassen haben? Schließlich habe ich keine Taubenmilch und Dactylus möchte ich auch nicht zu nahe kommen. Kümmert sich die Feuerwehr um sowas? Eigentlich hatte ich mir ja gewünscht, mehr Zeit auf dem Balkon verbringen zu können, wenn die Eltern weg sind, aber irgendwann fange ich an, mir Sorgen zu machen. Und ich war sowieso nur beschäftigt. Gestern habe ich endlich die Fenster geputzt und heute Gardinen abgenommen, gewaschen, gebügelt und wieder angehängt. Und beim Bad putzen nahm ich mir auch gleich noch das Badfenster vor. Damit habe ich dann mein Bügelkontingent für dieses Jahr ausgeschöpft. Ich hasse es, so große unhandliche Stoffteile zu bügeln. Genauso hasse ich es, Gardinen wieder aufzuhängen. Ich besitze noch so ein altes DDR-Bügeleisen von Rowenta. Aber ich finde, so lange ich nur ein- bis zweimal im Jahr bügle, reicht das vollkommen.
Vermutlich bin ich nur deshalb so emsig mit der Wohnoptimierung beschäftigt, damit ich mich nicht mit meiner Unentschlossenheit meiner anderen Baustelle gegenüber auseinandersetzen muß. Leider wurde ich gestern an diese andere Baustelle durch die Doku auf arte "Busenwunder" erinnert. Darin lief mir nämlich die Chefärztin der Schönheitsklinik über den Weg, bei der ich im September gewesen bin, bzw. sie gab darin ein kurzes Interview.
Nachdem in der Abendsonne sich die Elterntaube vom Nest entfernt hatte, wollte ich die Zeit gleich nutzen, um Blumen zu gießen und einige neue zu pflanzen. Ptero und Dactylus schauten mir neugierig vom Nest aus zu und machten sich immer größer. Ich bin mir nicht sicher, ob sie sich größer machen, um mehr zu sehen oder um furchteinflößender auf mich zu wirken. Letzteres funktioniert gar nicht so schlecht seit sie mich gestern fast aufgefressen hätten. Vor allem Dactylus, das ist das dickere und größere Küken, hat etwas gegen meine Kamera. Es ist auch nur Dactylus, der danach schnappt. Fragt sich, ob er aggressiver ist, weil er dicker ist oder dicker ist, weil er aggressiver ist. Und ist Ptero einfach nur entspannter oder läßt er sich von Dactylus beschützen? Wie auch immer, wenn Dactylus zuschnappt, sieht man förmlich das Krokodil in ihm - nur die Zähne fehlen. Da kommt die Reptilienahnenreihe zum Vorschein. Nicht nur vom Äußeren, denn wie Vögel sehen sie ja sowieso noch nicht aus. Die Elterntaube blieb relativ lange fort, so daß ich die Gunst der Stunde nutzte, um noch etwas Thymian zu schneiden und die Abendluft zu genießen. Zwischendurch kam sie dann doch mal angeflattert und es gab beihnahe einen Zusammenstoß, weil sie von unten kam und mich nicht sah. So ein Paar Taubenschwingen machen ganz schön viel Wind, vor allem, wenn sie so nah an einem vorbeisegeln. Die Taube verzog sich wieder, erstaunlich lange, und ich muß sagen, so langsam habe ich den Eindruck, die Elterntauben sind inzwischen ziemlich froh, wenn sie mal Ruhe vor ihrem dicken, verfressenen und schnappenden Nachwuchs haben. Wenn sie früher vor Aufregung einen Aufstand im Baum machten, war diesmal herrliche Ruhe und nichts von ihnen zu sehen oder zu hören. Die machen sich irgendwo einen netten Abend und verlassen sich darauf, daß ich schon auf ihre Jungen aufpasse. Schließlich traut sich eh kein anderes Tier an das Nest heran, so lange ich in der Nähe bin. Und ich habe das Gefühl, sie haben tatsächlich angefangen, dies als einen Vorteil für sich zu schätzen.

an der Wärme ist ja, daß man sehr schnell trocken ist, wenn man geschwitzt hat. Man sollte nur nicht genauer hinriechen. Eigentlich wäre es nicht schlecht, nach dem Zumba gleich noch eine Runde schwimmen zu gehen. Ich habe jetzt gefühlt hundertfünfzig Bikinis bestellt, in der Hoffnung, mal einen zu finden, mit dem ich mich unter Menschen trauen kann. Inzwischen bin ich bei 75 C angekommen. Meine reguläre Größe ist 90 A, aber in der 90 gibt es sowieso keine BHs oder Bikinis, weshalb ich normalerweise früher 85 und heute 80 A oder B trage. Aber die sind als Bikini ohne starke untere Polsterung nicht tauglich und dazu kommt, daß sich Bikinis im Wasser ja auch schnell weiten. Also eng, enger, am engsten und gleichzeitig muß oben und an den Seiten genug Stoff sein. Vermutlich wäre es tatsächlich einfacher, mich erneut unter das Messer zu legen und die andere Brust anpassen zu lassen, egal wie das dann aussieht. Hauptsache, ich kann wieder normale Klamotten tragen. Ich habe es so satt. Immerhin hatte ich heute beim Zumba diesmal das Gefühl, daß die Stunde zu kurz war. Also geht es wohl langsam wieder aufwärts mit der Fitness.
(Gedicht zum Abschlußfest der Abiturienten-Klasse der Einheitsschule IV im Juni 1948 von meinem Vater)
In meiner Jugend letzten Schulzeit fand
Ich mich in einen Nasenwald verschlagen;
Weil ich vom Lebensweg weit abgewandt,
Mich mußte in der Weisheit Hallen plagen.
Wer diese nun zum erstenmal betritt,
Der weiß vor Schreck nicht ein Wort mehr zu sagen;
Und von den Qualen, die er dort erlitt,
Wird er sein ganzes Leben lang wohl schweigen.
Doch diesem Wald ich vor'ge Woch' entglitt;
Ich will ihn euch von vorn bis hinten zeigen
Und ruf' euch freudestrahlend zu: "Hinein!"
Doch müßt ihr ewig, was ihr hört, verschweigen.
Zuerst begegnet ihr dem Väterlein
Der Klasse, unseren guten, alten Hannes:
"Ihr müßt doch nicht so furchtbar dämlich sein!
Laßt ihn alleine rechnen, los, er kann es.
Los, mach' doch! An die Tafel! Los, los, schreib'!
Quatsch! Nicht doch! Erst xy und dann s.
Dem Dreieck jetzt den größten Kreis umschreib'..."
Und so geht's weiter durch die ganze Stunde.
Wir brauchen alle neuen Zeitvertreib
Und suchen jetzt Belehrung in Erdkunde.
Da hör' ich Flüstern und 'nen leisen Schrei,
Vor Schreck bleibt stecken mir das Wort im Munde,
Und offen bleibt der Mund mir stehen dabei.
Und Teddy tritt herein und auf der Schwelle
Spricht er zu mir: "Tobias sechs, Vers drei!"
Vor Neugier schlag' ich nach die Bibelstelle
Und find: "O Herr, er will mich fressen" dort.
Darauf betrachten wir die Stanleyfälle (?)
Und Teddy fragt: "Im Süden oder Nord?"
Ich muß den Atlas schnell zu Rate ziehen
Und geb' die Antwort, Teddy merkt's sofort:
"Die Antwort ist ja wieder nur geliehen,
Den Brückenwärter haben Sie gefragt,
Doch diesmal sei es Ihnen noch verziehen!" -
Danach die russ'sche Sprachgesellschaft tagt,
Den ersten Vorsitz Mariannchen führet.
Hans-Dieter sich zum zweiten Vorsitz wagt;
Und wie es diesem großen Amt gebühret,
Spricht er 'ne Herzenssprach' zu jeder Zeit,
Die Mariannchens Herz und Auge rühret.
Doch schnell besiegt sie die Verlegenheit,
Sie stützt sich auf den Tisch mit beiden Händen
Und fragt nach eines Verbs Vergangenheit.
Die Russischprüfling' sich von ihr nicht wenden,
Sie prüfte wie 'ne alte Gouvernant',
Man möchte ihr zum Dank wer weiß was senden.
Der nächste wäre unser Laborant,
Ein Chemiker von Kopf bis zu den Zehen.
Doch ist er nebenbei auch Komödiant:
Als schwankend' Rohr sieht man im Wind ihn wehen.
Vor Ärger wird geschmiedet ein Komplott:
"Wenn wir ihn mal allein im Dunkeln sehen,
Verhaun wir schrecklich ihn, dann gnad' ihm Gott!"
So merkt' er, daß wir mit ihm unzufrieden
Und mit ihm trieben unsern Spaß und Spott.
Doch in der Prüfung ändert sich's entschieden:
Er brachte keinen in Verlegenheit,
So schließen wir mit ihm auch unsern Frieden.
Doch schnell von dieser Erd' zur Ewigkeit!
Die Philosophin schwebet in Ekstasen
Und wir in Sphären höhrer Seligkeit.
Wild schleudern in die Luft wir ein'ge Phrasen
Und wollen begreifen gleich die ganze Welt,
Wie wir es einst in Goethes "Faust" schon lasen.
Die nächste Stunde aber erst gefällt!
Herein tritt Paul mit eignen Exemplaren,
Darauf gezeichnet ist die Unterwelt.
Wir schauen an dies mit gesträubten Haaren,
Dann schallt es: "Paule, der Expressionist!"
Zur Antwort sind wir dann "Kulturbarbaren!"
Drauf lächelt unser Paule voller List;
Zitiert uns des Konfuzius weise Worte,
Lehrt, was ein geist'ges Telefonbuch ist.
Bevor wir wenden uns von diesem Orte,
Muß ich euch zeigen einen, der hat frei
Und huldigt auf dem Stadion heut' dem Sporte.
Beim Laufen geht es: hopsa, eins, zwei drei! -
Und schon ist freudig keuchend er am Ziele.
Hier läßt du deine ew'ge Spöttelei.
Auf aller Aufsatzsünder schlechter Stile
Und Komma oder Punkt dich nicht versteife,
Auf Päpste und der alten Kirch' Konzile.
Statt dessen bindst du Kragen dir und Schleife,
Gehst geraden Weges dann zum Unterricht,
Im Mund die unvermeidbar', kurze Pfeife.
Da seht, so sahen wir so manchen Wicht,
Der in der Schul' sein Leben täglich fristet,
Und ihnen allen widme ich mein Gedicht.
Und wenn ihr etwa einen hier vermißtet,
Der für die Chronik käme in Betracht,
So hat er wohl den Dichter überlistet,
Daß der von ihm kein spöttisch Verslein macht.
Seid nur nicht böse wegen diesen Zeilen,
Und wer was übelnimmt, wird ausgelacht.
Doch jetzt schoß ich genug mit spitzen Pfeilen,
Mein Köcher ist so leer schon wie mein Kopf.
Drum will ich stillschweigen nun einstweilen,
Und wer sich ärgert, ist ein dummer Tropf.
Mit den "Malereien" bin ich jetzt fertig, allerdings habe ich noch immer nicht die Fenster geputzt und Gardinen gewaschen. Dazu ist es mir einfach zu warm. Irgendwie doof, wenn es keinen richtigen Frühling mehr gibt, denn für solche Aktivitäten bleibt weniger Zeit mit optimalen Bedingungen - entweder ist es zu kalt oder ganz schnell wieder zu heiß. Stattdessen räumte ich Regale um und auf. Und ich fand doch tatsächlich ein Herz.
Nämlich auf einem Stein, der mindestens 34 Jahre alt ist. Ich hatte ihn damals von einem Ostseeurlaub mitgebracht, allerdings nur wegen der schönen Bänderung. Das Herz habe ich erst jetzt, nach 34 Jahren, entdeckt. Ich hatte überlegt, ob ich den Stein wegwerfe, aber das geht nun natürlich nicht mehr. Ein wenig ärgere ich mich, daß ich früher die Steine und Muscheln klar lackierte, denn ich fürchte, daß die etwas gelbliche Farbe dadurch kommt, wenn der Klarlack vergilbt. Ich spielte in diesem Alter nämlich gerne Museum, indem ich meine gesammelten Schätze auf der Fensterbank anordnete, sie anhand von Büchern bestimmte und kleine Schildchen darunter anbrachte. Zur Konservierung, besonders auch der Farben, wurden die Stücke außerdem lackiert. Und meine Eltern, mein Bruder oder wer sonst gerade anwesend war, mußte diese "Ausstellung" dann besuchen.
Auch wieder in die Hand fiel mir das Gedichtbüchlein meines Vaters. Ich schlug es auf gut Glück auf und landete bei "Dantes Schulinferno", ein Gedicht zu seiner Abitur-Abschlußfeier.
Auf Thymian mußte ich erneut verzichten, weil sich heute die Taube, im Gegensatz zu gestern, wieder nicht verjagen ließ. Komisch, immer wenn ich an den Thymian will. Stattdessen schnitt ich Minze ab, die direkt um die Ecke an der Tür steht und es gab Minze zum Fisch. Das war so nicht geplant.

Vielleicht sind sie sogar schon länger da, denn ich habe gar nichts davon mitbekommen, daß sie geschlüpft sind. Als ich heute Blumen gießen wollte und die Taube weggeflattert war, sah ich durch die Zweige, daß sich im Nest etwas bewegte und fiepte. Die Kleinen sind erstaunlich behaart. Mehr als die Grünfinkechsen, die nur diesen rockigen Haarkranz wie Halbglatzenträger hatten. Die Tauben sitzen immer noch ununterbrochen auf dem Nest und auf den Jungen, deshalb fiel mir auch nichts auf. Klar, Tauben füttern ihren Nachwuchs ja aus ihrem Kropf, da können sie sich das leisten, im Nest hocken zu bleiben. Blöd nur für mich, denn ich hatte gehofft, daß nach dem Schlüpfen die Eltern wieder häufiger auswärts beschäftigt sind.

Weil ich gerade sehr beschäftigt bin, merke ich mir nicht viel von meinen Träumen. Allerdings weiß ich noch aus der letzten Nacht, daß ich im Eiltempo um die halbe Welt reiste, einen Abstecher nach Italien machte und dort eigentlich länger bleiben wollte, was aber nicht ging, da die Reisetruppe schon wieder weiterfuhr. Wir waren außerdem in einem Hotel untergebracht, in dem das Männlein und das Weiblein an einer Tür nicht nur der Hinweis für eine Toilette war. Hinter vielen Männlein/Weiblein-Türen verbargen sich auch bestimmte Themen-Cafés. Das fand ich allerdings spätestens dann lästig, als ich eine Toilette suchte und ständig nach Öffnen der Weiblein-Tür in einem Café landete und weitersuchen mußte. Später warf mir dann irgendjemand vor, ich würde auf ungarische Männer stehen. Die Ernstheit, mit welcher mir das vorgeworfen wurde, sowie die irrationale Betonung auf 'ungarisch', belustigte und verwunderte mich gleichermaßen, weshalb ich spaßeshalber konterte, daß ich auf Männer aus Ungarn, aus Tschechien, aus Kasachstan, aus der Ukraine, aus Weißrussland usw. usf. stehe, wobei ich im Traum mindestens zwölf Staaten aufzählte, die mir im Wachzustand gar nicht alle einfallen würden.
Das Schöne am Renovieren ist ja, daß man sich damit auch ein kleines Taschengeld zusammensammeln kann, Ich jedenfalls finde regelmäßig Geld unter meinen Schränken. Obwohl ich keine Ahnung habe, wie das Geld unter meine Schränke gelangt, ist es sicher nicht verkehrt, unter den Schränken einen Notgroschen zu lagern. Manchmal findet man aber auch kleine Spinnenbiotope. Heute habe ich allerdings nichts an den Wänden oder Fenstern gemacht, sondern hauptsächlich Ent- und Besorgungen. Dabei bin ich zweimal fünf Treppen runter und wieder hoch, sowie einmal fünf Treppen runter und vier Treppen wieder hoch, alles mit Gepäck. Ging auch gerade so, obwohl sich meine Beine immer noch wie Watte anfühlen. Nicht davon, sondern irgendwie die ganze Zeit. Ich merke auch, wenn ich unterwegs bin, daß ich langsamer laufe und nicht mehr so schnell vorwärts komme wie normalerweise. Das ist schon seltsam und nervt mich, obwohl ich immer noch schnell genug bin. Aber es strengt halt alles mehr an. Und es wundert mich ein wenig, woher diese plötzliche Schwäche in den Beinen kommt. Ob nun vom Rücken oder allein deshalb, weil ich zwei Wochen keinen Sport gemacht habe - ich kann mir aber nicht vorstellen, daß dies solche Auswirkungen hat.
Auch frage ich mich, was die Täubchen wohl miteinander kommunizieren, wenn sie sich aus der Entfernung anrufen. Wahrscheinlich sagt die Taube im Nest dann:" Ey, jetzt bist du wieder dran mit Brüten! Komm mich ablösen!" und die andere antwortet: "Ich bin hier gerade beschäftigt. Warte noch ein bißchen." Die Taube im Nest schien dann etwas ärgerlicher immer drei Rufe hintereinander auszustoßen, worauf aber aus den entfernten Wipfeln keine Antwort mehr kam. Schließlich flatterte doch die Ablösung heran und die Taube im Nest war augenblicklich weg. Doch die "Ablösetaube" schien immer noch anderweitig beschäftigt zu sein, flatterte einmal kurz weg und ließ das Nest alleine. So richtig Lust hatte sie wohl nicht auf die Nesthockerei.
ist es gut, ein trockenes Nest zu haben. Und wenn das Nest zu klein ist, stapelt man sich halt einfach übereinander. (Wobei es so langsam Zeit wäre, daß die Küken schlüpfen.)
(Eigentlich sollte hier ein Bild stehen, aber Flickr nimmt es nicht und zeigt mir auch nach dem zwanzigsten Hochladeversuch eine Fehlermeldung. Vielleicht stufen die das ja als Pornographie ein. Möglich wäre alles, zumal man jetzt wegen einer Entscheidung deutscher Gerichte auch keine Bilder vom Mobiltelefon aus mehr hochladen kann. Verstehe das, wer will. Ich versuche es abends nochmal.)
Um 22:00: So, hier ist das Bild dazu.

Die letzten drei Tage lang habe ich nur Wände gestrichen. Also nicht allein gestrichen, denn das ist ja das einfachste dabei und geht am schnellsten. Sehr viel mehr Aufwand und Anstrengung bedeuten die Vor- und Nacharbeiten. Ausräumen, Abschrauben, Abdecken und Aufpassen, daß der Teppich ja keine Flecken abbekommt. Hinterher dennoch vorhandene Flecken entfernen, sauber machen, anschrauben, einräumen. In so einem bewohnten Zimmer, wo man keine Ausweichmöglichkeiten zum Lagern oder Schlafen hat, kann man sich immer nur von Ecke zu Ecke hangeln und das bedeutet die ganze Prozedur ständig wieder auf das Neue. Blöderweise habe ich den Malerkrepp an den Kanten mit der gelben Farbe erst entfernt, als die Farbe trocken war und deshalb mußte ich noch einmal über die Kanten gehen, damit die nicht so ausgefranst aussehen. Bei der weißen Kreidefarbe funktioniert das zwar gut, aber bei einer Latexfarbe hinterläßt das eben Fransen. Hätte ich mir eigentlich vorher denken können. Zwischendurch habe ich die Täubchen in Aufregung versetzt, weil ich bei offener Balkontür gearbeitet habe, und ich konnte zweimal den "fliegenden Wechsel" beobachten. Die wechseln sich tatsächlich ab mit dem Brüten. Eine Taube kommt angeflogen zur Ablösung und die andere macht sich aus dem Staub. Über Entfernung kommunizieren sie mit ihrem "Regenlied". Ich mag dieses "Regenlied" der Tauben, weil ich es mit den Sommern meiner Kindheit verbinde. Es gab keinen Sommer draußen auf dem Spielplatz unter den Pappeln, in welchem nicht dann und wann diese dunklen Rufe zu hören waren. Aber wenn die Regenrufe direkt vor der Tür zu hören sind, sind sie verdammt laut. Leider kann ich nicht unterscheiden, welche Taube Männchen und Weibchen ist und welches davon die ist, die eisern auf dem Nest sitzen bleibt und die, die panisch davonflattert. Aber nach meinen bisherigen Erfahrungen mit brütenden Vögeln schätze ich mal, daß auch bei Tauben wohl eher die Männchen die Angsthasen sind.
Während ich so die Wände strich, hatte ich dauernd "Im Frühtau zu Berge" als Ohrwurm im Kopf, was mich veranlasste, darüber zu meditieren, wie bescheuert es doch ist zu singen: "Wir ziehen ohne Sorgen singend in den Morgen noch ehe im Tale die Hähne kräh'n." Bei "noch ehe im Tale die Hähne kräh'n" bin ich sowieso raus. Zwar bin ich auch dann und wann mal ohne Sorgen in den Morgen gezogen, aber zu solchen Liedern sollte es immer einen Warnhinweis geben: "Achtung, singen Sie nicht zu laut. Die Sorgen werden Sie bald eingeholt haben."
Nun ja, nach drei Tagen die Leiter hoch und runter hatte ich heute einen mörderischen Muskelkater in den Beinen, war aber so wahnsinnig, trotzdem zum Zumba zu gehen. Schon nach dem ersten Lied, bei welchem wir immer so viel hin- und herrennen, dachte ich, ich brech zusammen. Meine Beine haben sich wie Watte angefühlt. Trotzdem hielt ich irgendwie durch, aber nach Hause bin ich mehr gekrochen. Als ich vom Supermarkt das letzte Stück gegangen bin, haben Kinder auf dem Sportplatz gerade Staffellauf gemacht. Hätte mir in diesem Moment jemand einen Staffelstab in die Hand gedrückt, hätte ich ihm den an den Kopf geworfen. Jetzt bin ich sowas von müde, daß ich auf der Stelle ins Koma fallen könnte. Heute mache ich jedenfalls nichts mehr, auch nicht Fenster putzen. Zwar sieht es hier immer noch nach Katastrophe aus, aber beim Schlafen sehe ich das ja nicht. Morgen kommt der Farbnachschub, damit kann ich das letzte Stück Wand versorgen. Wenn ich es dann noch schaffe, in dieser Woche die Fenster zu putzen und Gardinen zu waschen, kann ich mir auf die Schulter klopfen.
Eigentlich sollte es ein ganz normaler Tag werden, außer daß ich abends zu einer Geburtstagsparty eingeladen war. Doch den Tag über hatte ich viel Zeit und beschäftigte mich mit dem Umräumen von Möbeln, da ich für mein kleines Zimmer ein Sideboard kaufen möchte, um auch die unter dem Bett gestapelten Bücher unterzubringen. Dazu muß ich allerdings das kleine Schränkchen, das an der Stelle steht, in das Wohnzimmer zwischen Regal und Sideboard quetschen. Dort passt es auch gut hin, zumal ich es sowieso müde bin, mich dauernd zu bücken, um meine Ofenattrappe anzuwerfen. Die kommt dann einfach oben auf das Schränkchen. Nun dachte ich mir, ich könnte das Schränkchen gleich schon mal dorthin stellen um Platz zu machen, doch dabei stellte sich heraus, daß die Lücke zwei Zentimeter zu klein ist. Das hieß, ich mußte die anderen Möbel etwas zur Seite schieben. Das ging aber nur, indem ich sie ausräumte. Nun befindet sich hinter diesen Möbeln eine Wand, die ich schon seit Jahren streichen will, da sich herausstellte, daß der pure Textilputz ziemlich unpraktisch ist und sehr schnell grau und schwarz wird, vor allem, wenn man viel Kerzen abbrennt. Bisher habe ich das Streichen vor mir hergeschoben, weil mir bei dem Gedanken daran, die Möbel alle ausräumen zu müssen, die Lust dazu regelmäßig vergangen ist. Doch nun hatte ich die Möbel ausgeräumt und meinte, daß es doch ziemlich bescheuert wäre, alles wieder einzuräumen, ohne vorher die Wand gestrichen zu haben. Ich hatte noch einen viertel Eimer Farbe herumzustehen und nach längerem Suchen fand ich auch die praktischen langen Malerpinsel, die ich immer benutze, die ich aber nach dem Neueinbau der Küche an einem Geheimplatz so gut versteckt hatte, daß selbst ich nicht mehr wußte, wo sie waren. Malerkrepp, Abdeckfolien und was man sonst so braucht, habe ich ja zum Glück immer da. Also legte ich los, leider reichte die Farbe aber nur für die Hälfte und ich muß erst neue bestellen, weil es diese Farbe im Baumarkt nicht gibt. Meine Wohnung sieht aus, als hätte eine Bombe eingeschlagen, aber das alles hatte ich am Morgen noch nicht vorhergesehen. Am Abend sagte ich die Party ab, weil ich zu fertig war. Und wir wollen ja nicht, daß die Geschichte wie in meinem Roman weitergeht.
Heute mache ich erstmal mit der gelben Farbe weiter, die ich für die Fensterwand gekauft hatte und die auch bereits eine ganze Weile herumsteht. Wenn ich schon dabei bin, dann muß ich das jetzt durchziehen oder mich woanders einquartieren. Es ist erstaunlich, wie ich mir mit spontanen Aktionen immer wieder jede Menge Arbeit aufhalse. Wenn ich vorher darüber nachdenke, dann mache ich das garantiert nicht.
Immerhin lenkt mich das von der schlechten Laune ab, die mich überkommt, wenn ich an die Op denke, die ich eigentlich machen lassen möchte und dann wieder nicht. Ich hatte mir überlegt, daß eine Anpassung der gesunden Brust mir mit einem Schlag das meiste bringen würde, weil ich dann zumindest das Bekleidungsproblem hoffentlich los wäre, aber immer, wenn ich mir den Ablauf so einer Op und des Krankenaufenthalts und der Schmerzen vorstelle, vergeht mir wieder die Lust, das machen zu lassen. Während des Streichens der Wand kam ich plötzlich zu der tiefgreifenden Erkenntnis, daß es mit Ops wahrscheinlich genauso ist wie mit Renovierungen. Man darf vorher niemals über die einzelnen Schritte nachdenken und sich den Ablauf vorstellen, denn das schreckt nur ab, sondern man sollte es einfach tun, ohne vorher viel darüber nachzudenken. Zu große Vorstellungskraft, vor allem wenn mit Ängsten verbunden, kann manchmal ein ziemliches Hindernis sein, etwas in Angriff zu nehmen.